Rolf Rau, der Begründer und langjährige Chefarzt der Rheumaklinik im Evangelischen Fachkrankenhaus in Ratingen, beschreibt in dem biografischen Buch sein Leben von der frühesten Kindheit bis heute mit allen persönlichen, familiären und beruflichen Erlebnissen und Konflikten. Die Erinnerungen an die Kindheit in der seit dem Versailler Vertrag an Polen abgetretenen Provinz Posen, an den Beginn des 2. Weltkrieges, an die Flucht in den Westen, an die Jugend in Naumburg in der DDR und an den Umzug nach Berlin West mögen für die vor oder im Krieg geborene Generation mit vergleichbaren Lebensgeschichten Anregung sein sich an die Vergangenheit zu erinnern. Jüngeren Lesern erschließt sich dadurch ein Einblick in das persönliche und private Erleben des Autors in Kindheit und Jugend unter den besonderen zeitgeschichtlichen Bedingungen. Dieser nicht medizinische Teil, der etwa ein Drittel des Buchs ausmacht, ist reich an persönlichen aktuellen Recherchen durch Besuche in seiner früheren Heimat und durch wieder aufgenommenen Kontakt zu früheren Klassenkameraden. Rau, der wenige noch lebende Zeitzeugen befragt, ist in seine alte Heimat gereist, um sich auf Spurensuche zu begeben und fehlende Informationen zusammen zu tragen. Die Darstellung seiner Beziehungen zum weiblichen Geschlecht mag mancher Leser als indiskret empfinden und auch sein politisches Urteil zur Wiedervereinigung wird keinen ungeteilten Zuspruch finden, sind jedoch Beispiele für das Anliegen sein Leben in aller Offenheit und persönlichen Bewertung zu beschreiben.
Der medizinisch Teil des Buches beschreibt ausführlich die ärztliche und persönliche Entwicklung während des Studiums der Humanmedizin, der wissenschaftlichen Assistentenzeit an der Medizinischen Universitätsklinik Gießen, der rheumatologisch prägenden Assistenz an der Universitätsrheumaklinik Zürich und der Tätigkeit als Oberarzt in der Rheumatologie und Rehabilitation am Stadtspital Triemli in Zürich. Der Erforschung von Veränderungen der Leber bei entzündlichrheumatischen Erkrankungen galt sein wissenschaftliches lnteresse seit der Zeit in Gießen und legte die Grundlage für seine spätere Habilitation. Mit Übernahme der Chefarztfunktion 1978 in der Rheumaklinik Ratingen steht zunächst der Aufbau einer für die damalige Rheumatologie richtungsweisenden und innovativen rheumatologischen Akutklinik im Mittelpunkt. Sein wissenschaftliches lnteresse und sein Ehrgeiz lässt ihn jedoch rasch systematisch klinische Daten sammeln, die zur Grundlage für Studien zur Gold- und Methotrexat-Therapie wurden. Ausführlich beschrieben ist sein Beitrag zur Erforschung von Methotrexat in der Therapie der rheumatoiden Arthritis und seine damit verbundene führende Rolle bei der Einführung dieser Therapie in die Deutsche Rheumatologie. Weitere Meilensteine seiner wissenschaftlichen Arbeit werden anschaulich dargestellt: die Untersuchung der Destruktion und Reparation im Röntgenbild mit Entwicklung des Ratingen-Score als leicht zu erlernendes, alltagstaugliches Instrument zur Messung der Röntgenprogression, klinische Studien mit Biologika und die Low Dose Prednisone Treatment Studie mit Nachweis der Hemmung der radiologischen Progression der rheumatoiden Arthritis durch eine Dosis von nur 5 mg. Einen wichtigen Platz nehmen in seinen Erinnerungen die Vielzahl von Kontakten und Freundschaften zu nationalen und internationalen, besonders amerikanischen Rheumatologen ein, die unser Fachgebiet in den vergangenen 50 jahren mit geprägt haben. Beeindruckend ist auch die Darstellung seiner Aktivitäten und Vitalität seit seinem Ruhestand 1998, den er mit Tätigkeiten in verschiedenen rheumatologischen Kommissionen, Buchpublikationen, Liebe zur Kunst (Literatur, Schauspiel und besonders der Oper), Waldarbeit, sportlichen Aktivitäten (Tennisspielen, Radtouren, Skilanglauf) und ausgedehnten Reisen ausfüllt.
Insgesamt zeichnet sich das Buch dadurch aus, dass es eine sehr authentische, faktenreiche und durch viele Fotos dokumentierte Darstellung der biografischen Erinnerungen gibt, die Rolf Rau als einen führenden Wegbereiter der klinischen Rheumatologie charakterisieren. Dazu gehören nicht nur seine Erfolge, sondern auch seine Misserfolge und oft auch kritischen Anmerkungen zum erlebten Wandel in der Rheumatologie, der Rolle der Pharmaindustrie und der Bedeutung klinischer Studien.
Quelle: Aktuelle Rheumathologie 2017, Bd. 42, S. 372